auf der Homepage des Vereins Freunde der Städtepartnerschaft Tübingen – Ann Arbor e. V.
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Corona in Tübingens Partnerstädten (1) In Ann Arbor sind die Fallzahlen vergleichsweise gering, im benachbarten Detroit wütet das Virus schlimmer als in New York.
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In vielen Vorgärten von Tübingens US-amerikanischer Partnerstadt Ann Arbor sieht man jetzt Danksagungen an die Mitarbeiter im Gesundheitsbereich. Manchmal steckt nur ein rotes Herz im Boden. Bild: Felix Warneken
Die Hoffnung ist nicht abgesagt“, haben Mitarbeiterinnen der Uni-Kinderklinik in Ann Arbor mit Kreide auf einen Bürgersteig gemalt, als Ermutigung und Dank an alle, die in der Corona-Krise besonders gefordert sind. Mit viel Kreativität und Eigeninitiative reagieren die Bewohner von Tübingens amerikanischer Partnerstadt auf das Virus. Restaurants, Supermärkte, Bäckereien, Gärtner, Naturkostläden haben flugs auf kontaktfreien „Curbside pickup“ umgestellt: Die Kundschaft fährt mit dem Auto vor und lässt sich die von neuen Webseiten ausgewählten Speisen oder Lebensmittel in den Kofferraum laden. Für Risikogruppen wie Ältere gibt es teilweise eigene Zeitfenster, in denen sie sicher einkaufen können.
Fenster leuchten in Herzform. Ein Pizzabäcker liefert unter dem Motto „Feed the Frontline“
kostenlos Essen für Klinikpersonal, andere geben freie Mahlzeiten an Familien mit Kindern
oder an Studenten aus, ein leerstehendes Hotel-Hochhaus erleuchtet nachts seine Fenster in
Herzform, eine katholische Kirche bot in der Karwoche sogar eine „Drive-Thru“-
Beichtmöglichkeit vom Auto aus.
Lange sah es so aus, als würde der Staat Michigan von Corona nicht viel abkriegen. Dann
aber, unmittelbar nach den Kampagnen zur Präsidentschafts-Vorwahl der Demokratischen
Partei am 10. März, stieg auch hier die Zahl der Erkrankten rapide an. Vermutlich gab es auch
davor schon Fälle, die undokumentiert blieben, weil es anfangs an Test-Material mangelte.
Die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, erklärte sofort den Notstand. Am 11.
März schlossen Universitäten und Schulen, am 16. März Bars und Restaurants, eine Woche
später folgte die „Stay-at-Home“-Order, alle Einwohner sollten zu Hause bleiben.
Detroit ist ein Corona-Hotspot. Damals waren in Michigan 1352 Corona-Fälle registriert.
Mittlerweile (Stand Dienstag nach Ostern) werden in dem Zehn-Millionen-Einwohner-Staat
rund 26 000 Erkrankte und über 1600 Tote durch Corona gezählt, USA-weit Platz drei, hinter
New York und New Jersey. Der Bezirk Washtenaw, zu dem Ann Arbor gehört, ist mit 736
Fällen und bisher 18 Toten unterdurchschnittlich betroffen. Ein Vielfaches dagegen im direkt
angrenzenden Wayne County mit der Großstadt Detroit: Hier waren bisher 760 Tote zu
beklagen, bei fast 12 000 Erkrankten.
Auf die Bevölkerungszahl (680 000 Einwohner) bezogen, ist Detroit ein schlimmerer Corona-
„Hotspot“ als New York. Experten führen mehrere Gründe dafür an: Dass der Flughafen mit
regen Verbindungen nach China und Europa zu den wenigen zählt, die nach den von
Präsident Donald Trump verhängten Einreiseverboten offen blieben. Dass das dicht besiedelte
Detroit einen hohen Anteil sozial benachteiligter alter und schwarzer Bewohner hat, mit
schlechtem Zugang zu medizinischer Versorgung und Vorerkrankungen. Dass die vielen
Industriearbeiter in der Autostadt nicht auf Home Office umsteigen können.
Die demokratische Gouverneurin Gretchen Whitmer brachte es bundesweit zu Ansehen, als
sie der Regierung in Washington vorhielt, lächerlich wenig medizinische Schutzkleidung und
Beatmungsgeräte bereit zu stellen. US-Präsident Donald Trump setzte die 48-Jährige
daraufhin öffentlich als „diese Frau aus Michigan“ herab, die „keinen Schimmer“ habe.
Whitmer wird nun als mögliche Vize des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe
Biden gehandelt.
Bis Mittwoch dieser Woche galt die hohe Regel-Disziplin der „Michiganders“ in der Krise als
beispielhaft. Da fuhren mehrere tausend Autos vor dem Kapitol in der Hauptstadt Lansing zu
einer Demonstration gegen die „Stay-at-Home-Order“ auf, einer Protest-Aktion von
existenzgefährdeten Kleinunternehmern, organisiert von einer konservativen Vereinigung.
Im Schatten von Corona befindet der Gemeinderat von Ann Arbor zur Zeit in Online-
Sitzungen über einen neuen kommunalen Nachhaltigkeitsplan. Carolyn Melchers, Tübingerin
aus Ann Arbor, hofft, dass er bald verabschiedet wird. „Dieses wichtige Klimaschutz-Paket
darf neben Corona nicht untergehen,“ sagt sie.
Im Mai wurde eine größere Delegation aus Ann Arbor in Tübingen erwartet, um sich mit der
Stadtverwaltung über die Klimaschutzprogramme auszutauschen. Dieser Besuch ist nun
aufgeschoben.
Der Tübinger Felix Warneken ist Professor für Entwicklungspsychologie an der University
of Michigan in Ann Arbor, die mit über 40 000 Studierenden die Stadt prägt. Am Telefon
berichtete er dem TAGBLATT über die Auswirkungen der Corona-Restriktionen auf die Uni.
Der Shutdown am 11. März kam nur zwei Tage, nachdem die Studierenden aus den
Frühlingsferien (Spring Break) zurückgekehrt waren, mitten im Semester. Alle Studierenden
in Wohnheimen, also vor allem die jüngeren, mussten sofort ihre Zimmer räumen und nach
Hause fahren. In kürzester Zeit musste der gesamte Lehrbetrieb auf Online umgestellt werden.
Am 16. März ging die Lehre digital weiter. „Anfangs sicher noch etwas holprig“, räumt
Warneken ein. „Es war ein Riesen-Stress für alle, Professoren, Tutoren, Studenten.“ Auch das
Sommer-Semester wird noch online ablaufen. „Die Hoffnung ist, dass es im September mit
dem neuen Studierenden-Jahrgang dann wieder normal weitergeht.“
Forschungsaktivitäten wurden – abgesehen von laufenden Experimenten – innerhalb einer
Woche eingestellt. Die Uni bot aber Infrastruktur für Corona-Forschung an. Von
verschiedenen Institutionen und Stiftungen wurden sofort „Rapid Response Grants“
ausgelobt, Forschungsgelder für rasch anlaufende Projekte rund um Covid-19. Die
Wissenschaftler organisieren sich für die Bewerbungen in virtuellen Townhall-Meetings
(Konferenzschaltungen).
Die gemeinschaftsstiftenden Rituale des amerikanischen Studienjahrs entfallen vorerst: kein
„March Madness“ (Hochschul-Basketball-Turnier), kein Commencement (Graduierten-Feier
mit Talaren und Troddelhüten), kein Football im gößten Stadion der Nation.
„Man lebt sehr isoliert und erlebt gar nicht richtig, was gerade so läuft“, beschreibt Warneken
die aktuelle Befindlichkeit in der Stadt. Nur in den Parks herrsche Hochbetrieb, bei
gleichzeitiger Abstandswahrung. Der Psychologe bemerkt „einen neuen Wettbewerb um den
Raum“.
Freunde der Städtepartnerschaft Tübingen‐Ann Arbor e.V.
1. Vorsitzende: Carolyn Melchers
Tel +49 (0) 7071 ‐ 610 221
c/o Deutsch‐Amerikanisches Institut Tübingen
Karlstraße 3
D ‐ 72072 Tübingen
info@tuebingen-annarbor.de